Gay Travel Index: Die LGBTQ+-freundlichsten Reiseziele
Artikel von Julia
In vielen Ländern spielt es zum Glück längst keine Rolle mehr, welche sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität Menschen haben. Leider ist das aber nicht überall so. Welche Reiseziele besonders LGBTQ+-(un)freundlich sind, verrät der Gay Travel Index.
Campen - das ist für viele der Inbegriff von Freiheit. Die Freiheit, sich von der Reiselust treiben zu lassen, genau dort hinzufahren, wo es am Schönsten ist und im eigenen Zuhause auf vier Rädern da zu übernachten, wo es einem am Besten gefällt. Leider ist dieses Freiheitsgefühl insbesondere für Reisende aus der LGBTQ+ Community nicht immer gegeben. Denn leider stoßen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität nach wie vor auf Intoleranz, Vorurteile, Einschränkungen und teils sogar Verfolgung. Reisende der LGBTQ+ Community müssen ihre Reiseziele deshalb oft mit nochmal mehr Bedacht auswählen - auch, wenn es ums Campen geht. Wie frei und sicher sind Menschen aus der queeren Community in verschiedenen Urlaubsländern? Wo können sie sich sicher und willkommen fühlen und auf Gleichgesinnte treffen? Der Spartacus Gay Travel Index nimmt Urlaubsländer in Europa und weltweit genauer unter die Lupe und bewertet, wie LGBTQ+-freundlich oder unfreundlich sie sind 🏳️🌈
Wer gehört zur LGBTQ+ Community? 🌈
"LGBTQ+" ist eine Abkürzung der englischen Wörter "Lesbian", "Gay", "Bisexual", "Transsexual/Transgender" und "Queer". Oftmals wird der Begriff um weitere Buchstaben ergänzt. Der Begriff "LGBTQIA+" umfasst alle lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen/transgender, queeren, aber auch intersexuellen und asexuellen Menschen. Mit dem "+" werden weitere Geschlechtsidentitäten einbezogen. Hier könnt ihr euch darüber informieren, was die jeweiligen sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten bedeuten.
Wie sicher fühlen sich Reisende der LGBTQIA+ Community?
Unbesorgt Urlaub machen ist für alle Reisenden wichtig, aber leider nicht für alle gleich selbstverständlich. Das zeigt auch eine Umfrage von booking.com zu LGBTQIA+-Reisen aus dem Jahr 2023. 6 von 10 LGBTQIA+-Reisende haben der Umfrage zufolge auf Reisen schon Diskriminierung erlebt und die Sorge um die eigene Sicherheit beim Reisen wächst. Fast drei Viertel gaben an, bei der Wahl ihres Reiseziels ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden als Person der LGBTQIA+-Community berücksichtigen zu müssen - ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.
Der Spartacus Gay Travel Index - kurz erklärt
Was ist der Gay Travel Index?
Der Gay Travel Index wird seit 2012 jedes Jahr vom Reiseblog "Spartacus – International Gay Guide" veröffentlicht. Er misst die rechtliche Situation und die Lebensbedingungen für Mitglieder der LGBTQ+ Community in Staaten weltweit. Und erstellt darauf basierend ein Ranking der Länder danach, ob sie für schwule, lesbische, bisexuelle, Transgender- und queere Menschen sichere Reiseziele sind. Im Jahr 2024 wurden mit dem Gay Travel Index 213 Länder auf ihre LGBTQ+-Freundlichkeit untersucht. Bei der Auswertung werden unter anderem Quellen von frei zugänglichen NGOs und Regierungsorganisationen berücksichtigt. Zum Beispiel von der ILGA World, einem Zusammenschluss aus mehreren Organisationen, der sich weltweit für queere Menschenrechte einsetzt. Er veröffentlicht jährlich Weltkarten zur Verdeutlichung der Gesetzeslage zum Thema.
Welche Kategorien umfasst der Gay Travel Index?
Der Gay Travel Index bewertet die Staaten und Regionen anhand eines Punktesystems danach, ob sie für Mitglieder der LGBTQ+ Community als Reiseziel empfehlenswert sind. 2024 wurden zum ersten Mal in 18 Kategorien Punkte verteilt, die von der Ehe für alle über Antidiskriminierungsgesetze, Adoptionsrechte und Verfolgung bis zur Todesstrafe für Homosexuelle reichen. Minuspunkte bekommen beispielsweise Länder, in denen Pride-Paraden verboten sind oder Homosexualität unter Strafe gestellt wird. Positiv wirkt es sich auf das Ranking aus, wenn Länder sich gegen Diskriminierung einsetzen oder homosexuelle Paare heiraten und Kinder adoptieren dürfen. Neu als Kategorie hinzugekommen ist in diesem Jahr der Punkt Zensur, der zum Beispiel Verbote der Regenbogenflagge oder die Einschränkung von Inhalten in Büchern oder Filmen abdeckt.
Gay Travel Index: Die LGBTQ+-freundlichsten Reiseziele
Das sind die LGBTQ+-freundlichsten Länder laut Gay Travel Index 2024:
- Platz 1: Kanada, Malta, Neuseeland, Portugal, Spanien
- Platz 6: Australien, Schweiz
- Platz 8: Dänemark, Deutschland, Island, Norwegen, Uruguay
- Platz 13: Österreich, Chile, Kolumbien, Finnland, Irland, Luxemburg, Schweden, Taiwan
- Platz 21: Andorra, Argentinien, Belgien, Frankreich, Grönland, Niederlande, Réunion, Vereinigtes Königreich
Auf dem ersten Platz sind in diesem Jahr gleich fünf Länder gelandet: Kanada, Malta (das im Jahr zuvor noch alleine den ersten Platz belegte), Neuseeland, Portugal und Spanien haben die höchste Punktzahl erreicht und gelten dem Index zufolge als LGBTQ+-freundlichste Reiseziele der Welt. Neuseeland ist neu an der Spitze, da dort die Transgender-Rechte verbessert wurden. Alle fünf Länder unterstützen außerdem die Homo-Ehe, ermöglichen Adoption für gleichgeschlechtliche Paaren und die Bevölkerung ist tendenziell queer-freundlich eingestellt.
Australien und die Schweiz teilen sich den zweiten Rang. Australien bekommt von Spartacus einen Minuspunkt in der Kategorie „HIV Travel Restrictions“, da die Einreisebestimmungen insbesondere schwule Personen benachteiligen. Die Schweiz kassiert einen Minuspunkt, weil im Personalausweis weiterhin nur „männlich“ oder „weiblich“ angegeben werden kann. Dann folgen Deutschland, Dänemark, Island, Norwegen und Uruguay (das bestplatzierte lateinamerikanische Land).
Die größte Verbesserung im Ranking hat übrigens Estland hingelegt und sich von Platz 47 auf Platz 32 verbessert. Unter anderem deshalb, weil die Ehe für alle im Land seit Anfang des Jahres möglich ist.
Du siehst also schon, dass selbst die Länder auf den ersten Plätzen noch deutlichen Aufholbedarf haben, was LGBTQ+-Freundlichkeit angeht. Das macht einmal mehr verständlich, wieso Reisende der LGBTQ+ Community ihre Entscheidungen für Reiseziele oft viel genauer abwägen müssen.
Den gesamten Bericht mit der Wertung je Land in den einzelnen Kategorien findet ihr hier.
Gay Travel Index: Welche Länder besonders schlecht abschneiden
Am unteren Ende des Gay Travel Index stehen Länder, in denen Reisende aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität leider mit Diskriminierung und teils sogar Verfolgung rechnen müssen. Als die LGBTQ+-unfreundlichsten Reiseländer der Welt gelten Saudi-Arabien, Iran, Tschetschenien und Afghanistan, gefolgt von Jemen, Uganda und Somalia. Wirft man einen Blick auf Europa, dann landen die Türkei, Belarus, Russland und der Vatikan auf den letzten Plätzen.
- Platz 210: Saudi-Arabien, Iran, Tschetschenien, Afghanistan
- Platz 209: Jemen
- Platz 207: Uganda, Somalia
- Platz 205: Nigeria, Russland
- Platz 201: Vereinigte Arabische Emirate, Qatar, Libyen, Kuwait
- Platz 199: Tansania, Malaysia
Spartacus Gay Travel Index USA
In den USA ist die Lage für lesbische, schwule und queere Reisende gespalten. Insgesamt landen die Vereinigten Staaten auf Platz 41. Weil die gesellschaftliche, aber vor allem rechtliche Situation für Menschen der LGBTQ+ Community in den USA sich je nach Bundesstaat stark unterscheidet, veröffentlicht Spartacus aber auch einen separaten Index, in dem die 50 Bundesstaaten genauer unter die Lupe genommen werden. Anführer der Liste ist New York, gefolgt von vier Staaten auf dem zweiten Platz: nämlich Kalifornien, Colorado, Nevada und Oregon. Wer auf ein LGBTQ+-freundliches Reiseziel Wert legt, ist in diesen Staaten gut aufgehoben. Auf den hintersten Plätzen liegen Montana und Oklahoma. Das liegt unter anderem an den Einstellungen der Bewohner:innen und weil hier die umstrittene "conversion therapy" praktiziert wird, mit der Homosexualität „geheilt“ werden soll. Oklahoma sticht auch durch homofeindliche Politiker:innen hervor.
LGBTQ+-freundliche Städte in Deutschland
Deutschland tummelt sich mit 10 Punkten recht weit oben an der Spitze des Rankings und schafft es damit in die Top 10 der LGBTQ+-freundlichsten Länder. Einen Minuspunkt erhält Deutschland (leider!) aus dem Grund, dass die Einheimischen homosexuellen und queeren Reisenden teils feindselig gegenübersteht. Auch die Transgender-Rechte sind mit nur einem Pluspunkt noch ausbaufähig.
Unsere Hauptstadt Berlin zählt dabei zu den größten Gay-Metropolen Europas und ist deshalb ein spannendes Reiseziel für die LGBTQ+-Community. Der erste Christopher Street Day fand in Berlin schon 1979 statt und gilt heute als einer der größten seiner Art in Europa. Auch Köln darf als Top Spot nicht auf der Liste fehlen, denn die Stadt ist sehr bekannt für ihre Schwulenszene.
Wann ihr am Christopher Street Day in den großen deutschen Städten Vielfalt feiern könnt, haben wir euch hier aufgelistet. Und vielleicht ist eine Camperreise ja eine coole Möglichkeit, in einer davon nicht nur Urlaub zu machen, sondern auch für Toleranz einzustehen?
- CSD Berlin: 27.07.2024 ➡️ Camper mieten in Berlin
- CSD Köln - ColognePride: 21.07.2024
- CSD München: 22.06.2024 ➡️ Camper mieten in München
- CSD Hamburg: 03.08.2024 ➡️ Camper mieten in Hamburg
- CSD Stuttgart: 27.07.2024 ➡️ Camper mieten in Stuttgart
- CSD Frankfurt: 10.08.2024 ➡️ Camper mieten in Frankfurt
Termine, wann in weiteren deutschen Städten Pride Paraden gefeiert werden, findet ihr hier.
Queer Travel Tipps in Europa
Schönerweise hat Europa viele interessante Reisziele zu bieten, an denen lesbische, schwule oder queere Personen ohne Sorge vor Ablehnung Urlaub machen können.
Zu den Hotspots der Lesben- und Schwulen-Community (auch zum Campen) in Europa gehören in Griechenland Mykonos, Santorin und die Insel Lesbos, auf der jedes Jahr eine der größten Lesben-Partys der Welt, das Sappho Women – International Eressos Women's Festival, stattfindet.
Auch in Spanien finden sich beliebte Ziele der LGBTQ+ Community: Gran Canaria, Ibiza und das ehemalige Fischerdorf Sitges zum Beispiel. Im Mai findet auf Gran Canaria jährlich die beliebte Gay Pride Maspalomas statt. Und auf Mallorca wird jedes Jahr das internationale Lesben-Festival Ella gefeiert.
Fazit zu den LGBTQ+-freundlichsten Reisezielen fürs Campen
Unbeschwert und frei Urlaub machen ist für jede:n Urlauber:in superwichtig - aber leider nicht für alle Menschen in jedem Land gleichermaßen möglich. Die Vorstellung, dass Personen der LGBTQ+ Community in manchen Ländern immer noch Einschränkungen, Diskriminierung oder gar Strafen und Verfolgung fürchten müssen, ist für uns - gelinde ausgerückt - völlig unfassbar. Der Gay Travel Index ist daher auch nicht nur für queere Reisende relevant. Denn er gibt eine Orientierung, wie ernst Menschenrechte, Toleranz & Offenheit in unterschiedlichen Ländern genommen werden. Für alle, die das möchten, kann er also auch eine Art moralischer Kompass sein, der die Entscheidung für oder gegen ein Reiseziel beeinflussen kann.
Wir hoffen, dass es immer mehr Orte gibt, an denen Toleranz und Vielfalt gelebt wird. Denn: Reisen ist für alle. Für alle alle 🏳️🌈🫶
Aus genau diesem Grund haben wir uns im November 2023 von "CamperBoys" zu "Off" umbenannt. Weil der Anspruch, mit unserem Namen niemanden auszuschließen, für uns Grund genug für eine grundlegende Veränderung war. Und weil wir finden, dass wir Verantwortung haben für die Sichtbarkeit von Vielfalt in der Gesellschaft, aber auch für das Gefühl aller Menschen, die mit unseren Campern unterwegs sind. Wenn ihr mehr über unser Rebranding erfahren möchtet, findet ihr hier mehr Infos dazu:
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